Tilmann Knopf: Kap. 1: Vorwort

1. Vorwort

1.1. Warum gerade Fantasy-Rollenspiele?

Meine Motivation, mich in dieser Praxisarbeit ausgerechnet mit diesem auf den ersten Blick exotisch anmutenden Thema zu beschäftigen, entspringt im wesentlichen zwei Ursachen:

Zum einen bin ich selbst seit einigen Jahren Fantasy-Rollenspieler und Rollenspielleiter. Ungefähr 1989 entdeckte ich in einem Spielwarengeschäft eine “Basisbox” des Rollenspiels “Das Schwarze Auge” der Firma Schmidt Spiele und probierte das Spiel mit einigen Freunden einfach einmal aus. Ich war von den neuartigen Spielmöglichkeiten sehr angesprochen und im Laufe etwa eines halben Jahres bildete sich eine studentische Spielgruppe heraus, die sich etwa drei Jahre lang z.T. wöchentlich zum Spielen traf. Auch derzeit spiele ich noch aktiv, ich habe inzwischen in Salzburg eine neue Spielrunde gegründet.

Zum anderen habe ich im ersten Vikariatsjahr Gelegenheit gehabt, eine für mich erstaunliche Verbreitung von Fantasy-Spielen unter Jugendlichen in Salzburg festzustellen. Sehr häufig traf ich Jugendliche, die zum mindesten wieder andere Jugendliche kannten, die Rollenspiele oder andere Fantasy-Spiele spielten, oder auch selbst aktiv spielten1. Da mir bereits bewußt war, daß gerade neuere Entwicklungen auf dem Fantasy-Rollenspielmarkt z.T. bedenkliche Inhalte transportieren können, beschloß ich, in zwei Klassen an der HTL Salzburg, die ich unterrichtete, und in denen aktive Rollenspieler vorhanden waren, Fantasy-Rollenspiel zum Thema zu machen und die problematischen Aspekte dieser Spiele mit den Schülern zu bearbeiten.

Aus dieser Beschäftigung mit dem Thema, die das Heranziehen von Material auch zu anderen Spielsystemen als dem von mir selbst verwendeten einschloß, erwuchs der Gedanke, das Themenfeld in der Praxisarbeit ausführlicher zu untersuchen.

Glücklicherweise ist eine meiner ältesten Freundinnen in Berlin Mitbesitzerin eines Spezialgeschäftes für Rollenspiele und stand mir bei der Auswahl und Beschaffung des Spielmaterials kompetent zur Seite.

Besonders freut mich, daß es mir gelungen ist, bei den Vorarbeiten zu dieser Arbeit in Kontakt mit anderen wissenschaftlich an diesem Thema Interessierten zu kommen. Im Zuge dieser Bemühungen wurde mir inzwischen sogar die Mitarbeit an einem Buchprojekt angeboten. Im Claudius-Kontur-Verlag soll auf Anregung von Bernhard Wolf, Beauftragten der Ev. Landeskirche in Bayern für religiöse und geistige Strömungen unserer Zeit, ein umfassendes Buch zum Thema “Fantasy-Rollenspiele” erscheinen, an dem zahlreiche Autoren verschiedener Fachrichtungen mitwirken werden.

Besonders zu Dank verpflichtet bin ich Martin Kliehm vom “Rollen- und Simulationsspiel Verein “252” e.V.” in Frankfurt/M, ohne dessen Hilfe meine Materialbasis bei der schwierigen Quellenlage – es existieren kaum deutschsprachige Veröffentlichungen – weitaus schmaler gewesen wäre.

Aus dieser problematischen Quellenlage ergibt sich auch die Notwendigkeit der Heranziehung unveröffentlichter Diplom- und ähnlicher Arbeiten.


1.2. Zur praktisch-theologischen Relevanz

Fantasy-Rollenspiele, seit etwas mehr als zehn Jahren auf dem deutschsprachigen Markt, und seither explosionsartig verbreitet, sind Ausdruck von Jugendkultur. Sie werden – soweit ich das beurteilen kann – hauptsächlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen für junge Erwachsene und Jugendliche gemacht und bringen – was zu zeigen sein wird – massiv Auseinandersetzung von Jugendlichen mit unserer Gesellschaft und Kultur zur Sprache. Es gibt inzwischen auch im deutschsprachigen Bereich mehrere Fachzeitschriften und in so gut wie allen Großstädten Fachgeschäfte2. Allein damit – als Ausdruck der Lebenswelt Jugendlicher – wären die Spiele sicherlich schon der Beachtung seitens der Theologie bzw. der kirchlichen Praxis, vor allem auch seitens des Religionsunterrichtes3 wert.

Was mich in der genaueren Untersuchung einer breiteren Materialbasis jedoch auch noch einmal selbst verblüfft hat, ist die fast immer vorhandene starke religiöse Dimension der Spiele. Immer sind Götter und Dämonen, Gott und Satan, Magie und Beschwörungen, Schöpfungsbilder und Jenseitsvorstellungen, Kulte und Religionen wichtige Elemente dieser Spiele. Dieser Elemente wegen waren und sind Fantasy-Rollenspiele heftigen Angriffen auch und vor allem aus fundamentalistischen christlichen Kreisen ausgesetzt.

Hier wird nach der Berechtigung dieser Kritik, aber auch danach zu fragen sein, welche religiösen Bedürfnisse Jugendlicher offenbar durch Theologie und Kirche nicht gedeckt werden.


Anmerkungen:

1 Die Befragung, die ich im Rahmen dieser Untersuchung durchführte, ergab, daß 47% der Jugendlichen Fantasy-Spiele spielen, die Quote der Rollenspieler lag etwas unter 10%.
2 in Wien bietet etwa “Spielerlei”, Mariahilfer Str. 88a, 1070 Wien, ein großes Sortiment einschlägiger Artikel
3 vgl. hierzu auch den Artikel “Neugestaltung der evangelischen Bildungsarbeit”, Abschnitt “Religionsunterricht muß differenzierte Lebenswelt wahrnehmen”, in: SAAT 2/1996



zurück

Inhalt

Quellen

nächste